Mit dem ortsbildprägenden Campus am Gruscheweg schlägt Neuenhagen in den gerade erst 200 Jahren Schulgeschichte ein neues Kapitel auf. Die vielen Generationen vertraute Tafelkreide hat ausgedient, erstmals verfügt der Hort einer Neuenhagener Schule über einen völlig eigenständigen Bereich und die 18 Klassenräume sind jeweils 70 Quadratmeter groß. 39 Millionen Euro bringt die Gemeinde für die von außen schnörkellosen Zweckbauten auf. Nach den 50 Millionen D-Mark für die Erschließung des Gewerbegebietes am Umspannwerk Anfang der 90er Jahre, neben Straßenbau und Schmutzwasserkanalisation in bald 800 Jahren Neuenhagen die umfangreichste öffentliche Investition. Und das gerade mal drei Jahrzehnte nach der Einweihung der gegen diesen Neubau bescheidenen Fallada-Schule in der Langenbeckstraße. Und die glich einem echten Husarenstück und kostete aus heutiger Sicht schmale 2,4 Millionen D-Mark.
Die Gemeinde zählt kurz nach der Deutschen Einheit ein Drittel weniger Einwohner und die damals wie heute drei Schulen platzten in der boomenden Gemeinde aus allen Nähten. Die Grundschulen sind nach 1990 aus den bis dahin die Namen Goethes, Puschkins und Einsteins tragenden zehnklassigen Polytechnischen Oberschulen erwachsen. Die Einsteiner sind es, die mit tatkräftiger Hilfe der Rathausspitze aus ihrer Polytechnischen Oberschule das bis Anfang 1996 von der Gemeinde getragene Einstein-Gymnasium aufbauen. Im Wettstreit der S5-Gemeinden um das ihren Ort aufwertende Gymnasium haben damit die Neuenhagener die Nase vorn. Aber wie nun weiter mit der Grundschule? Seit Jahrzehnten ist die Unterstufe, die ersten bis vierten Klassen der Einstein-Schule in zwei heute nicht mehr existierenden ursprünglich von der Grenzpolizei genutzten Baracken mit Ofenheizung am Ende der Dahlwitzer Straße untergebracht. „Die Kinder haben sich dort wohl gefühlt. Aber die Zustände waren unhaltbar und wir konnten und wollten in diese Bauten keine Mark mehr reinstecken“, erinnert sich Klaus Ahrens, Neuenhagener Bürgermeister von 1990 bis 2002, noch sehr gut.
Da kommt die 1952 gegründete Gesellschaft für Sport und Technik (GST) ins Spiel. Sie gehört zur jüngeren Geschichte Neuenhagens. Wegen des Vier-Mächte-Statuses Berlins residiert der Zentralvorstadt der DDR-weiten vormilitärischen Organisation nach ersten Jahren in Halle nicht in Ost- Berlin, sondern seit 1956 in der Neuenhagener Langenbeckstraße. 33 Jahre lang. Ab 1990 wird die GST abgewickelt und die Gemeinde erhebt erfolgreich Anspruch auf die Immobilie. Einst als Sanatorium für Tropenkranke errichtet, war das Gelände in den 1940er Jahren bis auf das Gebäude an der Dahlwitzer Straße – damals Realschule, heute Einstein-Gymnasium – von der Reichsbahn gekauft worden, berichtet Klaus Ahrens.
Dr. Achim Krause, Chefarzt der seit den 50er Jahren im Dotti-Schloss untergebrachten Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Strausberg, will auf dem GST-Gelände ein Krankenhaus etablieren. „Die Idee war gut und ich habe Dr. Krause unterstützt“, erzählt Klaus Ahrens. Leider sei letztlich die Idee in Potsdam nicht mitgetragen worden und die Chirurgische Abteilung später nach Strausberg gezogen. Statt eines Krankenhauses etabliert sich auf dem Gelände eine Pflegeeinrichtung. Und dann ist da noch der als Dreiseitenbau angelegte GST-Garagenhof. Klaus Ahrens lacht. Drei Steinwürfe von der Einsteinschule entfernt ist es dann seine Idee: „Wir bauen den Garagenhof zur Schule um“. Architekt Klaus Schiebel, in Neuenhagen aufgewachsen und von 1961 bis in die 1990er Jahre im Schwarzwald lebend, ist es, der das Konzept erarbeitet. Und es geht schnell. Im Februar 1994 beginnt in der Fallada-Schule der Unterricht.
Als ein Jahr später Bundespräsident Roman Herzog die Gemeinde und auch die Fallada-Schule besucht, schwärmt Schulrektor Dieter Berthold in die ORB-Fernsehkamera, die Schule sei die schönste im ganzen Land Brandenburg.
Mit der Goethe-Schule verbindet sich die längste Neuenhagener Schulgeschichte, die von den Ortschronisten facettenreich festgehalten ist. Erich Bischof schreibt in einem 1979 anlässlich 100 Jahre alte Schule verfassten Vortrag: „1876 – inzwischen waren die Ortsteile Bahnhof und Niederheide entstanden – waren 103 Kinder von einem Lehrer zu unterrichten, das in zwei Abteilungen geschah.“ Erich Bischof bezieht sich damit auf die 1878/79 errichtete Schule in der Carl-Schmäcke-Straße. Sie war die erste in Neuenhagen gebaute Schule. Zuvor wurden Kinder in umfunktionierten Räumen unterrichtet. Die erste Neuenhagener Schule nutzt seit Anfang der 1990er Jahre der Internationale Bund (IB) aus Ausbildungs- und Veranstaltungsstätte.
Mit der Ostbahn und damit dem Schienenanschluss an die Reichshauptstadt wächst Neuenhagen sprunghaft. Das Haus in der heutigen Carl-Schmäcke-Straße reicht bald nicht mehr. Bei Erich Bischof ist zu lesen: „So gab es für Rektor Paul Giersch, der am 3. April 1911 sein Amt antrat, ein reiches Arbeitsfeld. Die Aufnahmeklasse, 7. Klasse genannt, zählte 92 Kinder! Ein neuer Lehrer musste eingestellt und die Klasse geteilt werden.“ Am 26. September 1913 begann in der neuen Schule, der heutigen Goethe-Schule der Unterricht.
Mit der Grundschule am Schwanenteich und der vom Internationalen Bund getragenen Oberschule – beide gingen aus der Puschkin-Oberschule hervor – schließt sich der Kreis. Denn der Neubau am Gruscheweg ist Teil der Grundschule am Schwanenteich. Auf diese Lösung ist Gunter Kirst, stellvertretender Bürgermeister und seit 1994 für Kindertagesstätten und Schulen in der Gemeinde verantwortlich, besonders stolz. Und dem immer wieder zu hörenden Vorwurf, in Neuenhagen gebe es neben dem vom Kreis getragenen Gymnasium keine weiterführende Schule, will Gunter Kirst nicht stehen lassen. Zum einen gebe es in den umgebenden Gemeinden Angebote und die vom IB getragene Oberschule sei auf einem guten Weg. Besonders seit der Kooperation mit dem FC Union Berlin. Und dann sei da ja noch der Schulcampus, der auf dem einstigen Gelände des Kabelwerkes Oberspree (KWO) an der Grenze zwischen Dahlwitz-Hoppegarten und Neuenhagen entstehen wird.