Zwei Wohn- und Geschäftshäuser an der Hauptstraße prägen seit 25 Jahren den Eingang zur Fichtestraße. Das Fichte- und das Geier-Eck. Mit dem Namen Geier verbindet sich ein Stück Ortsgeschichte, das es verdient lebendig gehalten zu werden.
Vierzig Jahre lang nach dem Krieg prangte Tanz Café in beleuchteten Buchstaben an der Fassade des 1910 errichteten Gebäudes. Für die Neuenhagener hieß die Ecke dennoch Café Geier. Bäckermeister Otto Geier war es, der ab 1919 sein Handwerk in dem Gebäude ausübte und als Namensgeber gilt. Neben der Bäckerei standen ein für die Zeit vergleichsweise prächtig ausgestatteter Saal, eine Veranda, eine Gaststube und eine Kegelbahn zur Verfügung. Dort trafen sich der Neuenhagener Verein Gut Holz und auswärtige Klubs wie Trullala oder Dahintenduster. Beim wöchentlichen Schwof im Saal bahnte sich so manche langjährige Beziehung an. Auch deshalb ist das Café Geier bei Älteren bis heute in bester Erinnerung.
Ortschronist Kai Hildebrandt weiß zu berichten, dass das Café ab 1958 den Namen Sputnik trug. Sicherlich in Anlehnung an den weltweit ersten künstlichen Satelliten, den die Sowjetunion 1957 in die Erdumlaufbahn geschossen hatte. Aber der Name hielt sich nicht lange. Im Neuenhagener Echo ist vierzig Jahre später in der Ausgabe 7/1986 zu lesen, dass die „HOG Tanzcafé Neuenhagen“ – HOG steht für Handelsorganisation Gaststätte – zur Preisstufe 2 zählt, über 36 Plätze und im Saal bei Tanzveranstaltungen über 120 Plätze verfügt.
An nur wenigen anderen Gebäuden wie dem Café Geier lässt sich der gesellschaftliche Neubeginn in Neuenhagen so augenscheinlich festmachen. Mit den Tanzabenden ist es mit der Wende vorbei. Stattdessen etabliert sich im Saal mit der Einführung der D-Mark der erste Supermarkt. Das Unternehmen Reichelt eröffnet im Jahr der Einheit eine provisorische Filiale. Das Geier Eck erlebt damit noch einmal eine ganz neue Nutzung. Vier Jahre später eröffnet Reichelt in der Lindenstraße einen neuen Markt. Damit ist das Ende des Café Geiers besiegelt. 1998 beginnt der Abriss. Es ist die Zeit, in der an mehreren Stellen im Ortszentrum erst Bagger und dann Kräne das Bild prägen. 1998 errichten Bauarbeiter auf dem Gelände der PGH Semper – PGH steht für Produktionsgenossenschaft des Handwerks – den heutigen REWE-Markt. Zugleich entsteht in der Ernst-Thälmann-Straße, Ecke Gartenstraße ein Neubau mit Geschäften und 21 Wohnungen.
Autor: Siegfried Wagner