Glockenturmzwiebel - die Heimatkolumne

"Der Große Weg nach die Wiese"


Er ist über 300 Jahre alt, nennt sich Weg, obwohl er eigentlich eine Straße ist und wahrscheinlich ist er die einzige Straße deren Name noch aus der Zeit stammt, als man in dieser Region märkisches Plattdeutsch sprach. Neben seiner stillen Hilfeleistung, die er vielen von uns beim Auto- oder Moped fahren als Übungsstrecke gab, ist er aber auch eine jener Straßen, die seit der Wende immer wieder im Fokus und Gespräch war. Dennoch klingt sein Name, übersetzt ins Hochdeutsche, eher nach Natur als nach Besiedlung. Die Rede ist vom Gruscheweg. 

Lange Geschichte: Der Gruschweg auf einer Karte von 1773 als "Der Große Weg nach die Wiese"


Bereits auf einer Karte vom Juli 1722 ist er als Weg eingezeichnet, der vom heutigen Startpunkt an der Carl-Schmäcke-Straße querfeldein kurz vor der Brücke am heutigen Rosa-Luxemburg-Damm auf die Straße nach Bollensdorf trifft. Auf einer Karte vom Mai 1773 finden wir ihn eingetragen als „Der Große Weg nach die Wiese“. Es ist auch diese Karte die den Gruscheweg in seiner heutigen Lage zeigt. Seinen Namen definierte Erich Bischof, Bürgermeister und Ortschronist, wie folgt: „Eine Sonderstellung nimmt hier allerdings der Gruscheweg ein. Sein Name ist als einziges derartiges Sprachdenkmal auf das alte märkische Platt zurückzuführen. Grusche (sprich „Gruusche“ mit stimmhaftem „sch“, ähnlich wie „Journal“) bedeutet nichts anderes als Gras." Den Zusammenhang im märkischen Dialekt zu jenem Gewächs führt er in einem anderen Text noch einmal auf, als er eine ältere Einwohnerin zitiert, die als Kind auf der Spitze des Dorfangers – in diesem Fall nahe dem Stern – vom Grasplatz dem "Grusche" berichtet. Würde man das ganze in die heutige Zeit übersetzen so kommt „Wiesenweg“, den es in Neuenhagen jedoch schon gibt, der Übersetzung am nächsten. 

Mit der Entstehung des Vorwerks Elisenhof 1837 bekommt der Weg eine größere Bedeutung als Zufahrt zur Siedlung. Als Straße, die zu den Feldern führt, die links und rechts den Weg säumen, kommt mit der Zufahrt zur 1970 angelegten Mülldeponie ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu. Hilfreich fungiert der Weg in dem er zu DDR-Zeiten, sicher auch noch danach, als Übungsstrecke für jene Fahranfänger die hier heimlich das Fahren mit Auto oder Moped üben. Ganz neue Bedeutung bekommt das einstige landwirtschaftliche Nutzland mit der Errichtung der Siedlung Gruscheweg, die ab 2002 beginnt. 2022 startet mit dem Baubeginn des Schulcampus Gruscheweg, dessen Errichtung 2024 abgeschlossen sein soll, ein neuer Abschnitt in der Geschichte „des Weges nach die Wiese“. Es ist aber auch der Siedlungsteil, der einen großen bisher leeren Teil von Neuenhagen auffüllt und damit die Ortsgeschichte ergänzt.

 

Autor: Kai Hildebrandt ist Neuenhagens Ortschronist