Bürgermeisterkolumne

„Mit guter Politik überzeugen“


Liebe Neuenhagener,

die Bauern fuhren mit ihren Traktoren auf dem Weg zur Demo nach Berlin nur durch Neuenhagen hindurch. In Neuenhagen gingen die Menschen im Februar auf die Straße. Sie demonstrierten wie überall in Deutschland. Einmal rief die Antifa aus Strausberg zu einer Gegendemo gegen eine Veranstaltung der AfD im Bürgerhaus Neuenhagen auf. Auf einer weiteren Kundgebung, organisiert vom Internationalen Bund und Vertretern einiger Neuenhagener Parteien, hieß es: „Neuenhagen ist bunt“. Und ehemals gegen die Corona-Maßnahmen gerichtet, finden noch immer montags die Spaziergänge rund um das Rathaus statt.

Die Veranstaltung Anfang Februar war nach 2018 die zweite AfD-Veranstaltung im Bürgerhaus. Dagegen gibt es immer wieder Kritik. Damals wie heute gilt: Das Bürgerhaus ist eine kraft Satzung öffentliche Einrichtung der Gemeinde und muss diskriminierungsfrei allen Nutzern zu möglichst kostendeckenden Gebühren bereitgestellt werden. Wir können das Bürgerhaus auf bestimmte Nutzungen, beispielsweise kulturelle Veranstaltungen und Vereinstreffen per Satzung beschränken und andere ausschließen. So können wir allgemein politische Veranstaltungen und Parteiveranstaltungen grundsätzlich für das Bürgerhaus herausnehmen. Genau dies habe ich mehrfach vorgeschlagen. Doch dieser Vorschlag war nicht mehrheitsfähig: Die Parteien der Gemeindevertretung Neuenhagen lehnten ein Verbot von Parteien und politischen Veranstaltungen in der Bürgerhaussatzung ab. Mithin bleibt es dabei: eine einzelne Partei kann nicht von der Nutzung ausgeschlossen werden, solange sie nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten ist.

Freie und auch öffentliche Meinungsäußerung ist ein hohes Gut und in einer Demokratie durchaus normal. Ich nehme aber wahr, dass die Stimmung dieser Tage immer mehr einer Art Krisenstimmung gleicht. Schlechte wirtschaftliche Aussichten, hohe Strompreise, steigende Zinsen und sinkende Immobilienpreise machen auch vor Neuenhagen nicht halt. Dazu kommt die Sorge um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine der weniger als 1000 Kilometer von uns entfernt tobt.

Es ist gut, wenn wir uns als Neuenhagener darauf verständigen können, dass wir eine weltoffene, pluralistische Gemeinde sind. Das ist eine wichtige Basis für unser tägliches Miteinander.

Staatliche Stellen handeln nach Recht und Gesetz und dienen dazu, Leben und Freiheit zu schützen. Das gilt auch für die Gemeinde Neuenhagen. Niemand soll Angst haben müssen, dass er aufgrund seiner Ansichten, seiner Anschauung, Herkunft oder Hautfarbe weniger Recht und Schutz bekommt.

Damit dies gelingt und so bleibt, dürfen wir nicht der Versuchung erliegen, andere Neuenhagener in Schubladen zu stecken: Rechts, links. Grün, braun. Wir dürfen einander nicht so ausgrenzen. Dies gilt für alle Seiten der Debatte. Jeder kann seine Meinung sagen und am besten ist es, wenn man dabei im Gespräch bleibt. Die Grenze ist unser Grundgesetz, welches dieses Jahr 75 Jahre alt wird und wonach Rassismus und Gewalt keinen Platz in Deutschland haben. Man darf dabei niemanden zwingen, sich zu positionieren. Es ist auch okay in einem freien Land, seine Meinung nicht kundzutun und bei einer Demo auch bewusst nicht mitzumachen. Den anderen Fall hatten wir konkret so bis 1989 hier in Neuenhagen. Keiner von uns will zurück in diese Zeit.

Dann gibt es noch die Wahlen. Jetzt kann man die Wähler der einen oder anderen Partei als rechts- oder linksextrem, anarchistisch oder rassistisch oder wie auch immer bezeichnen. Das hilft aber nicht, die jeweiligen Menschen von ihrer Wahlentscheidung abzuhalten. Nein, es verhärtet nur die Fronten und polarisiert immer weiter. Was einzig hilft sind gute, sachliche Argumente und eine gute Arbeit, um die Probleme der Menschen zu lösen. Nur so, mit guter Politik, sollten auch unsere Regierungen in Berlin und Potsdam versuchen, die Wähler zu überzeugen. In Neuenhagen versuchen wir das so – Tag für Tag. Schwierig genug ist es.

Ihr Bürgermeister  

Ansgar Scharnke