Etliche Publikationen, Vorträge und Ausstellungen sind Dr. Erich Siek zu danken. Mehr als 30 Jahre lang widmete er sich täglich Vergangenheit und Gegenwart der heute rund 20.000-Einwohner-Gemeinde Neuenhagen. Er hat die Ortschronik mitgeschrieben, das Erbe von Erich Bischof weiter geführt.
Es ist die Liebe zu Büchern, die den beruflichen Lebensweg des gebürtigen Potsdamers bestimmen. Dabei hätte sein Leben schon sehr früh zu Ende sein können. 1944 wird er zur Infanterie eingezogen. Ausgerechnet zur Infanterie. Eigentlich wollte er sich doch als Jagdflieger beweisen, so ein Ass werden wie der von der Propaganda gefeierte Werner Mölders. Die Kriegsmonate bescheren ihm dann brutale Ernüchterung und graben sich tief in seine Erinnerungen ein. Als Erich diese Zeit überstanden hat, ist für ihn klar, „ich nehme nie wieder eine Waffe in die Hand“.
Zwei Jahre später erwirbt Erich in seiner Heimatstadt die Hochschulreife und steht nach einem nur dreiwöchigem Lehrgang als Neulehrer selbst vor der Klasse. „Ich unterrichtete Deutsch und Geschichte. Es war eine sehr schwere Zeit. Wir hatten keine Unterrichtsmaterialien und viele Kinder schwänzten, weil die Hamstertouren mit den Eltern für das Überleben wichtiger waren“, erinnert sich der 96-Jährige.
Nach zwei Jahren hängt Erich Siek den Lehrerberuf an den Nagel und belegt einen Sonderlehrgang Bibliothekswesen. Mit dem Abschluss in der Tasche tritt er eine Stelle als Betriebsbibliothekar in Stalinstadt, dem heutigen Eisenhüttenstadt an. Zusammen mit seiner Frau Hannelore, sie stammt wie er aus Potsdam und wird auch Bibliothekarin, wohnt er in Frankfurt (Oder), pendelt jeden Tag in das im Aufbau befindliche Stahlwerk.
Weitere zwei Jahre später folgt der Ruf ins Zentralinstitut für Bibliothekswesen in Berlin. Er geht in die Wisschenschaft, nimmt eine Stelle als Assistent an. Erich Siek arbeitet nun in Berlin, erhält aber keine Wohnung. Noch gilt eine Zuzugssperre für die Hauptstadt. In der S-Bahn-Gemeinde Neuenhagen ergattert das Paar ein möbliertes Zimmer, später eine Wohnung. Von nun an wohnen sie im Vorort, pendeln ihr Berufsleben lang nach Berlin. „Ich als Theoretiker ins Institut, meine Frau als Praktikerin in ihre Bibliothek im Prenzlauer Berg“, erzählt Erich Siek und lächelt. Das mit dem Theoretiker und der Praktikerin sei bis heute so geblieben. Wenn der Computer oder etwas anderes in der Wohnung nicht funktioniert, „rufe ich meine Frau“.
Erich Siek promoviert, leitet nach vierzig Jahren stellvertretend das Institut. Dem Neubeginn im Zuge der Deutschen Einheit kann und muss sich Erich Siek nicht mehr stellen. Er geht in Rente. War Neuenhagen für ihn wie für viele Pendler vor allem die Schlafstadt, hat Erich Siek jetzt mehr Zeit. Bücher bleiben weiter seine Leidenschaft. In der Neuenhagener Bibliothek trifft er auf einen kleinen Kreis Geschichtsinteressierte. Er lernt auch noch kurz den einstigen Bürgermeister und langjährigen Ortschronisten Erich Bischof kennen, der „sehr viel Energie in seine Arbeit investiert hat und über profundes Wissen verfügte.“ Leider zerstreut sich der Kreis der Interessierten und weil er sich weiter der Ortsgeschichte widmet, bekommt er schnell den Titel Ortschronist zugeschrieben. In den am Ende mehr als drei Jahrzehnten tägliche Arbeit verfasst Dr. Siek etlichen Publikationen. So gemeinsam mit dem einstigen Schuldirektor Günter Voigt „Streifzüge – Neuenhagen gestern und heute“.
Im vergangenen Jahr hat er nun sein Archiv der Gemeinde übergeben. Dies verbunden mit der Verpflichtung zum sorgsamen Umgang. Natürlich hofft er auf ein von der Gemeinde verabschiedetes Konzept für die Zukunft der Ortschronik. Es muss klar sein, wie Informationen gesammelt und in welcher Struktur sie bewahrt werden. Am Ende gehe es aber in erster Linie nicht um Wissenschaft, es gehe um das Fördern der Heimatverbundenheit. Es gelte "die Leute zum Nachdenken und zum Lachen zu bringen. Am besten ist es, wenn Leute sagen, „Donnerwetter, das habe ich nicht gewusst“.
Text: Siegfried Wagner/Fotos: Edgar Nemschok