Glockenturmzwiebel

Die kleine Zahnvilla in der Ernst-Thälmann-Straße


Am 1. Dezember 2023 eröffnete eine neue Zahnarztpraxis in der Ernst Thälmann Straße 33. Passend zum Äußeren – fein abgestimmt dazu der Warteraum – wählte man den Namen „Kleine Zahnvilla“. Was dem Patienten oder Fußgänger nicht auffällt, ist die Tatsache, dass die kleine Villa bald ihren einhundertsten Geburtstag feiert. Für die Glockenturmzwiebel ein perfekter Anlass, etwas über das im Ortskern zentral gelegene Objekt zu schreiben. 

Kurz nach dem 2. Weltkrieg: 1946 befindet sich in den beiden Geschäftsräumen der Verwaltungssitz der Kreiskonsumgenossenschaft Niederbarnim-Süd.


Die Geschichte des Hauses beginnt mit dem Einreichen der Bauunterlagen 1928. Architekt des Gebäudes ist Adolf Mothes, der zu diesem Zeitpunkt bereits einige Häuser in Neuenhagen entworfen hat. Er besitzt, neben seinem Baugeschäft, auch eine Baumaterialienhandlung im Ort. Bauherr ist der Friseurmeister Johann Radomski. Bereits seit einigen Jahren besitzt er in Berlin, zum Zeitpunkt des Hausbaus in der Frankfurter Allee, ein „Spezial-Haar-Haus“. Neben den klassischen Haarschnitten für Sie und Ihn gibt es dort Zöpfe, Haarersatzteile, Toilettenartikel (hier ist nicht das stille Örtchen gemeint, sondern Tinkturen und so mancherlei Wässerchen für die Haare) sowie Haarnetze und Haarschmuck. 

Das Gebäude um 1985 mit Elektroladen: Während der fast 100-jährigen Geschichte des Bauwerks zogen diverse Mieter in das Wohn- und Geschäftshaus


Geht man der regionalen Presse nach, so muss das Haus im Jahr 1931 fertiggestellt worden sein. Ab Februar dieses Jahres warb der Besitzer um Käufer für das neu errichtete Wohn- und Geschäftshaus mit folgender Annonce: „Geschäftshaus mit 2 Läden und 4 Zimmer Wohnung, Bad, Zentralheizung, großen Obstgarten, Johann Radomski, Neuenhagen, Bahnhofstraße 49“. 

Die Hausnummern sind bis zum Beginn der vierziger Jahre noch anders vergeben als heute. Am Bahnhof rechtsseitig beginnend geht es nacheinander nummeriert hoch in Richtung Rathaus und von dort absteigend wieder zurück. Auch trägt die heutige Ernst Thälmann Straße noch ihren ursprünglichen Namen. In den 30er Jahren zur „Straße der SA“ umgetauft, bekommt sie nach 1945 den heutigen Namen. 

Im Oktober 1931 findet sich wieder eine Werbung, nun aber mit dem Hinweis auf Vermietung des Hauses. „Laden mit und ohne Wohnung sofort zu vermieten“ lautete der Text. Mit der Fertigstellung der heutigen Hausnummer 35, rechts daneben, selbiger Bauherr & Architekt, kurz nach der Errichtung der Nr. 33, bekommt die heutige Zahnvilla die Hausnummer 49 a. Die bisherige Nummer 49 bekommt der jüngere Nachbar nebenan. Wenige Monate nach der ersten Anzeige gibt es hier schon den ersten Mieter. Im August 1931 findet man in einem der beiden Läden die Leihbücherei von Otto Kurtz. Im November kommt mit Ernst Werstadt ein Mieter für den zweiten Laden, der dort bis 1938 bleibt. „Eisenwaren, Werkzeuge, Bauartikel, Garten-, Haus- und Küchengeräte, Solinger Stahlwaren, Sämereien, Drahtstifte, Schrauben, Herd- und Bauartikel sowie Weck- und billigere Einkochgläser“ beschreiben das Angebot des Geschäftes in einer Annonce. Nach O. Kurtz betreibt Maria Gabler noch die Bücherei. Ihr Nachmieter wird Willy von der Sitt der dort seine Herren und Damen Maßschneiderei hat. Nachfolger von Werstadt, im selben Metier tätig, wird Hans Sparr, der von 1941 bis 1945 seinen Laden an diesem Ort hat. 1946 befindet sich in den beiden Geschäftsräumen der Verwaltungssitz der Kreiskonsumgenossenschaft Niederbarnim-Süd. In den folgenden Jahren ist neben einem Konsum ein Elektroladen, der bis 1992 besteht. Ein Buchladen, eine Pizzeria, ein Café in den Nebenräumen ein Geschäft für Mobiltelefone und dann ein Parteibüro sowie ein Laden für Kindersitze, Babytragen und mehr sind die Vorgänger der Zahnvilla, die nun auf den 100. Geburtstag zusteuert. Ihr Bauherr Johann Radomski eröffnet ab Oktober 1932 in seinem Haus nebenan einen Friseurladen und verstirbt 1945. Adolf Mothes verstirbt 1960 und findet wie Radomski seine letzte Ruhe auf dem Friedhof in der Rudolf-Breitscheid-Allee.


 

Fotos: Das eine mit dem Elektroladen befindet sich im Gemeindearchiv in der Bibliothek, dass andere in einem Heft von 1946 im Siek-Archiv.