Das Jahr 2024 neigt sich dem Ende. Können Sie eine vorläufige Bilanz der Einsätze ziehen? Gab es Auffälligkeiten im Vergleich zu den Vorjahren?
Rico Vogel: Das Jahr 2024 verläuft für uns mit bisher 116 Einsätzen recht ruhig. Neben den üblichen Einsätzen wie einfachen technischen Hilfeleistungen – etwa Türöffnungen oder Tragehilfen für den Rettungsdienst – wurden auch kleinere und mittlere Brände bekämpft. Auffällig ist die hohe Anzahl an Fehlalarmierungen durch Brandmeldeanlagen oder Blindalarme, bei denen sich das Meldebild nicht bestätigt hat. Hierzu zählen beispielsweise gemeldete Rauchentwicklungen oder Feuerscheine, bei denen trotz umfangreicher Suche vor Ort keine Einsatzstelle gefunden werden konnte. In jüngster Vergangenheit waren wir allerdings bei zwei Bränden in Einfamilienhäusern, einem Gefahrguteinsatz in Müncheberg sowie einer anspruchsvollen technischen Hilfeleistung gefordert. Hierbei mussten wir einen Arbeiter aus einer Hebebühne retten, die zu kippen drohte und sich nicht mehr manövrieren ließ.
Nun hat insbesondere der Anfang des Monats November zwei Einsätze hervorgebracht, die sich vom vermeintlichen Alltagsgeschäft unterscheiden. Insbesondere der Brand eines Wohnhauses (siehe Foto) hat für mediale Aufmerksamkeit gesorgt. Glücklicherweise hat sich zum Zeitpunkt des Brandes niemand im Haus befunden. Dennoch mussten auch die Feuerwehren der Nachbarkommunen anrücken. Wie gefährlich war der Einsatz für die Kameraden der Feuerwehr, bestand Lebensgefahr?
Vogel: Bei dem erwähnten Brand in einem Einfamilienhaus wurden wir enorm gefordert. Die Situation vor Ort erwies sich aufgrund der Umstände als äußerst anspruchsvoll und verlangte den Einsatzkräften einiges ab. Bei unserem Eintreffen an der Einsatzstelle wurden wir von Nachbarn empfangen, die uns hervorragend in die Lage einwiesen und wichtige Erkenntnisse für die Brandbekämpfung mitteilen konnten. Dank ihrer Unterstützung war auch der Zugang zum Brandobjekt problemlos möglich. Innerhalb weniger Minuten ging der erste Angriffstrupp zur Brandbekämpfung ins Gebäude vor und war sofort mit starker Hitze und so genannter Nullsicht aufgrund dichter Verrauchung konfrontiert. Kurz darauf kam es zu einer dynamischen Brandausbreitung, die mit einer Durchzündung des gesamten Gebäudes einherging. Der Angriffstrupp konnte das Gebäude rechtzeitig über eine Terrassentür verlassen und blieb dank der hochwertigen Schutzkleidung unverletzt. Die Intensität des Brandes zeigte sich auch an den erheblichen Schäden am Gebäude. Nach der Durchzündung traten Risse in den Außenwänden auf und an der Decke bildeten sich teils großflächige, mehrere Zentimeter tiefe Abplatzungen an der Betondecke. Diese Ereignisse zeigen, wie wichtig die richtige Ausrüstung für Einsätze im Innenangriff ist. Ich bin dankbar, dass wir seitens der Gemeindeverwaltung mit der entsprechenden Schutzkleidung ausgestattet wurden, die in dieser Extremsituation den nötigen Schutz geboten hat.
Wie haben die altgedienten Kameraden mit viel Erfahrung diesen Einsatz eingeordnet?
Vogel: Ein so dynamischer Brandverlauf, bei dem ein Haus innerhalb kurzer Zeit nach dem Öffnen der Hauseingangstür in Vollbrand übergeht, ist selten und in den letzten Jahren in Neuenhagen nicht vorgekommen. Selbst die erfahrenen Kameraden waren von diesem Brandverlauf beeindruckt. In den vergangenen Jahren sind Gebäudebrände dank der Rauchwarnmelderpflicht sowie präventiver Maßnahmen zur Stärkung der Selbsthilfefähigkeit der Bevölkerung und durch Brandschutzerziehung – welche meine Kameradinnen und Kameraden regelmäßig in Kitas und Schulen in Neuenhagen durchführen – deutlich zurückgegangen. Um dennoch auf die sich verändernden Anforderungen, wie etwa Brände in energieeffizienten Gebäuden und den veränderten Materialeinsatz in der Bauweise, vorbereitet zu sein, setzen wir seit Jahren auf intensive Aus- und Fortbildung auf allen Ebenen. Wöchentlich finden zwei Ausbildungsdienste statt, ergänzt durch zwei Wochenendschulungen pro Jahr sowie quartalsweise Schulungen für die Führungskräfte, in denen das notwendige Wissen vermittelt wird. Dabei spielen die erfahrenen alten Hasen in unseren Reihen eine entscheidende Rolle und stehen den jüngeren Kameraden mit ihrer Erfahrung zur Seite.
Die Ursache des Brandes ist noch nicht final geklärt. Ein möglicher Brandauslöser könnte auch ein elektronisches Gerät gewesen sein. In einem modernen Haushalt gibt es davon eine Vielzahl, gerade auch mit Akkubetrieb. Welche Tipps können Sie diesbezüglich geben?
Vogel: Die Anzahl akkubetriebener Geräte in den Haushalten hat in den vergangenen Jahren zugenommen und wird gelegentlich auch als Brandursache festgestellt. Angesichts der Vielzahl an verwendeten Akkus und der dennoch geringen Anzahl akkubedingter Brände ist dieses Risiko derzeit als gering einzustufen. Ich empfehle jedoch einen umsichtigen Umgang mit akkubetriebenen Geräten. Sollten diese Beschädigungen, übermäßige Hitzeentwicklung oder andere Auffälligkeiten zeigen, sollten sie gegebenenfalls technisch überprüft oder außer Betrieb genommen und fachgerecht entsorgt werden.
Bei einem weiteren Einsatz musste jemand aus einem Hebekorb einer mobilen Arbeitsbühne gerettet werden, weil das Fahrzeug nicht ausreichend gesichert war. Was war bei diesem Einsatz so besonders?
Vogel: Am Tag nach dem genannten Gebäudebrand wurden wir zu diesem Einsatz gerufen. Ob die mangelnde Sicherung des Fahrzeugs oder ein Bedienfehler der Korbsteuerung ursächlich war, können wir nicht abschließend sagen. Die Lage vor Ort war außergewöhnlich und in dieser Form für mich bislang einmalig. Der Arbeiter befand sich in etwa 15 Metern Höhe im Korb des Hubfahrzeugs, das nur auf zwei Stützen stand. Weder die Räder noch die zwei weiteren Stützen hatten Kontakt zum Boden. Vor dem Umstürzen wurde das Fahrzeug lediglich durch einen angebrochenen Ast bewahrt, während ein weiterer Ast bereits abgebrochen war. Nachdem das Fahrzeug mit der maschinellen Zugeinrichtung des Hilfeleistungslöschfahrzeug 20 gesichert worden war, konnte der Arbeiter mithilfe der Drehleiter aus dem Korb gerettet werden. Unsere erst zu Jahresbeginn in Dienst gestellte Drehleiter bewährte sich in dieser Situation aufgrund ihrer hervorragenden Bedienbarkeit und ihrer erweiterten Funktionen im Vergleich zur „alten“ Drehleiter. Zudem war dies die erste Personenrettung für das neue Fahrzeug.
Grundsätzlich investiert die Gemeinde fortlaufend in die Ausrüstung der Feuerwehr. Wie wichtig ist dies für Ihre ehrenamtliche Arbeit?
Vogel: Die Ausrüstung spielt eine wichtige Rolle, um eine leistungsfähige Feuerwehr, wie sie gesetzlich gefordert ist, zu unterhalten. Dank der Investitionen der letzten Jahre sind wir aktuell gut ausgestattet, um die an uns gestellten Aufgaben erfüllen zu können. Unsere Technik ist auf einem modernen Stand und die Schutzkleidung entspricht den neuesten Anforderungen. Wichtig ist es, dieses Niveau zu halten und die erforderlichen Investitionen für die kommenden Jahre im Blick zu behalten. In jüngster Vergangenheit mussten wir jedoch zunehmend mit externen Faktoren umgehen, die Flexibilität erfordern, etwa bei der Beschaffung von Fahrzeugen oder persönlicher Schutzausrüstung, die oft sehr lange Lieferzeiten angenommen haben. Neben der Ausrüstung ist auch unser Personal für die Leistungsfähigkeit der Feuerwehr von Bedeutung. Durch verschiedene Maßnahmen konnten wir unseren Personalstamm in den letzten Jahren erhöhen und freuen uns aktuell über 60 Kameradinnen in der Einsatzabteilung. Um auch in Zukunft leistungsfähig zu bleiben, möchten wir unseren Personalstamm weiter ausbauen und freuen uns über jeden Interessierten, der sich bei uns engagieren möchte. Wir sind ein vielfältiges Team aus jungen Frauen und Männern bis hin zu lebenserfahreneren Kameraden, die alle das gemeinsame Ziel haben, auch herausfordernde Situationen zusammen zu meistern.
Weihnachten und Silvester stehen vor der Tür. Während der Großteil der Neuenhagener diese beiden Termine mit Familie und Freunden genießt, stehen Sie mit Ihrem Trupp unter Anspannung. Wie sieht eigentlich ein Abend an Silvester bei der Feuerwehr im Kreise der Kameraden aus?
Vogel: Weihnachten empfinde ich persönlich als wenig angespannt, obwohl in den vergangenen Jahren auch über die Feiertage vereinzelt Brandeinsätze abgearbeitet werden mussten. In der Silvesternacht hingegen, wenn die Wahrscheinlichkeit von Bränden etwas höher ist, kann man durchaus von einer gewissen Anspannung sprechen. Ein Teil unserer Kameradinnen und Kameraden verbringt Silvester gemeinsam mit ihren Liebsten im Feuerwehrgerätehaus und stellt eine Wachbereitschaft, die bei einem Einsatz sofort ausrücken kann. Weitere Einsatzkräfte fahren wie gewohnt nach einer Alarmierung von zu Hause aus zur Wache und rücken mit zusätzlichen Einsatzfahrzeugen nach. Diese anlassbezogene Wachbereitschaft hat sich in den vergangenen Jahren bewährt. Auch die Familien, die während eines Einsatzes im Feuerwehrgerätehaus zurückgelassen werden, konnten in der Vergangenheit eine schöne Feier erleben. So werden wir auch den diesjährigen Jahreswechsel gemeinsam im Feuerwehrgerätehaus in der Lahnsteiner Straße verbringen.
Damit es für die Feuerwehr ruhig bleibt zwischen den Jahren – was können die Neuenhagener beitragen, damit die Feuerwehr nicht ausrücken muss?
Vogel: Damit es bei uns ruhig bleibt, ist der sichere Umgang mit Feuerwerk wichtig, welcher mit der Verwendung von Feuerwerk mit entsprechender CE-Kennzeichnung beginnt, die den EU-Vorschriften entspricht. Darüber hinaus ist es wichtig, die Sicherheitsregeln und die Herstellerangaben zu beachten. So ist beispielsweise das Zünden von Raketen aus der Hand äußerst gefährlich und so genannte Blindgänger sollten niemals erneut angezündet werden. Auch ist es dringend abzuraten, Feuerwerk unter Alkoholeinfluss zu zünden. Abgebrannte Feuerwerksbatterien sollten vor der Entsorgung im Hausmüll vollständig abgekühlt sein. In der Vergangenheit haben sich durch unzureichend abgekühlte Feuerwerksreste mehrfach Mülltonnen in der Gemeinde entzündet, was zu Einsätzen in der Silvesternacht führte.