Interview mit Freibad-Leiter André Körner

„Es ist definitiv sicherer geworden. Jeder sollte sich selbst ein Bild machen.“


André Körner ist für viele Neuenhagener das Gesicht des Freibades. Der Neuenhagener ist seit 1. Januar 1989 im Freibad als Schwimmmeister tätig und dadurch sicher einer der bekanntesten Mitarbeiter der Gemeindeverwaltung. In der vergangenen Saison wurden mehr als 48.000 Besucher gezählt. Nicht zuletzt wurde auch die Sicherheit im Freibad diskutiert.

 

Herr Körner, wie kommen Sie durch die kalten Wintermonate? Wie halten Sie sich fit bis zum Saisonstart?

Körner: Das ist relativ einfach. Ich gehe ein bis zwei Mal die Woche schwimmen. In Neuenhagen sind die Mitarbeiter des Freibades von November bis März als Hausmeister in anderen Einrichtungen, wie Kitas beschäftigt, je nachdem, wo Unterstützung nötig ist.


Im Juli 1990 wurden Sie zum „Objektleiter Freibad“ befördert. Sie haben noch zwei Sommer in der DDR für die Sicherheit der Badegäste gesorgt. Was hat sich – gerade in Bezug auf die Besucher – in diesen mehr als 35 Jahren geändert?

18. März 2025: Nachdem das Wasser aus dem Becken abgelassen ist, muss der Dreck noch entfernt werden

Körner: Der Zulauf aus der Großstadt ist durch die Nähe zu Berlin enorm gewachsen. Die Neuenhagener fahren eher an Seen oder haben ihren Pool zu Hause und nutzen das Freibad leider nicht mehr so oft. Früher kamen unter der Woche fast ausschließlich Neuenhagener. Nach der Schule sind die Kinder ins Freibad gekommen. Es gab auch einen Rettungsschwimm-Verein und während der achtwöchigen Sommer-Ferienspiele war ein eigener Bereich für die Kinder vorhanden, wo etwa rund um ein Zelt Angebote für die Kinder bereitgestellt wurden. Grundsätzlich war das Freibad früher auch mehr Jugendtreff als jetzt. Seit Corona sind die Jugendlichen gar nicht mehr hier. Vorher war das Freibad Kennenlernpunkt für die 13 bis 15-jährigen. Man kann sagen, dass wir seitdem ein reines Familienbad sind. Die Kinder kommen nicht mehr allein. Und dann hat man noch Erwachsene, die einfach nur schwimmen wollen.

 

Ist der Umgang im Laufe der Zeit rauer geworden?

Körner: Das würde ich so nicht sagen. Der Umgang ist anders, aber nicht rauer geworden. Das Publikum hat sich verändert. Wir haben Gäste, die nicht schwimmen können. Das betrifft auch Erwachsene. Deshalb ist es wichtig, dass gerade die Kinder schwimmen lernen. Gerade nach der Pandemie ist viel Unterricht ausgefallen. Dies muss jetzt dringend nachgeholt werden. Das macht uns viel Sorge, denn wir müssen im Vergleich zu den Vorjahren wesentlich mehr Leute aus dem Wasser holen, weil sie nicht schwimmen können. Die Lebensrettung ist wieder stärker in den Fokus gerückt, was in allen Bädern der Fall ist. Zudem haben sich die Wertigkeiten der Menschen verändert. Jeder schaut mehr auf seine eigenen Bedürfnisse, man ist untereinander nicht mehr so höflich.

 

Ist der Schwimmmeister noch eine Respektsperson für die Besucher?

Körner: Meiner Meinung nach, gibt es den Respekt für viele Berufsgruppen nicht mehr in dieser altbekannten Form. Die Menschen wollen eher auf Augenhöhe mit jemandem reden und nehmen beispielsweise mein Wort nicht wichtiger als das Eigene. Das verstehe ich zum Teil, weil der Bademeister in der Vergangenheit auch gerne mal von oben herab gepfiffen hat, so dass alle gehorcht haben. Damit fühlt sich keiner mehr Wohl. Heutzutage wird viel mehr über Badeordnung und Regeln diskutiert. Dabei nehmen sich die Leute auch nicht mehr ganz so zurück. Der Egoismus hat zugenommen, um die eigenen Interessen durchzusetzen.

 

Mitte April im Freibad: Die Vorbereitungen auf den Saisonstart laufen unter der Anleitung von André Körner auf Hochtouren. Nun ist auch schon Wasser im Becken

In den 1990 Jahren war das Freibad ein Erholungsort für die Neuenhagener. Ist das heute auch noch so?

Körner: Die Neuenhagener, die ins Freibad kommen, wundern sich, dass so wenige aus dem Ort angetroffen werden. Ich werde seit Jahren auf der Straße angesprochen, ob man sich ins Freibad trauen kann. In den Medien dargestellte Einzelfälle bilden nicht die Gesamtsituation ab. Das sind Sonderfälle aus der Vergangenheit. Wir haben einen Wachschutz vor Ort der täglich, rund um die Uhr da ist. Das ist nichts Spezifisches für Neuenhagen, sondern in allen Bädern Standard. Die sogenannten Stressmacher trauen sich gar nicht mehr zu uns rein, weil sie wissen, dass sie gleich in die Schranken verwiesen wären. Und weil wir jetzt ein Familienbad sind, haben wir auch keine derartigen Vorkommnisse mehr. Der Stressfaktor ist dadurch wesentlich heruntergesetzt.

 

Im Jahr 2019 hatte das Freibad mit massiven Sicherheitsproblemen zu kämpfen. Einige Badegäste hatten ein hohes Aggressionspotential, es gab Schlägereien und teilweise wurden Mitarbeiter bedroht. Selbst der Bürgermeister musste einmal mit Ordnungsamt und Polizei vor Ort die Lage beruhigen. Danach kam die Corona-Zeit mit Zutrittsbeschränkungen, Zeitfenstern und Online-Kartenverkauf. In der vergangenen Saison gab es keine gravierenden Sicherheitsprobleme mehr, was wahrscheinlich auch mit dem neuen Kartenverkaufssystem zu tun hat. Seit dem Jahr 2018 hat die Gemeinde auch einen Sicherheitsdienst engagieren müssen. Wie läuft die Zusammenarbeit in der Praxis?

Körner: Das ist richtig. Im vergangenen Jahr gab es überhaupt keine Probleme. Die Sicherheitsfirma macht die Einlasskontrolle. Wo früher die Mitarbeiterin am Einlass sporadisch in die Tasche geschaut hat, ist heute eine detailliertere Prüfung notwendig, die auch erfolgt. Der Wachschutz ist zudem auf der Wiese unterwegs und macht quasi eine Art Aufsicht, ob alles seine Ordnung hat. Wir als Rettungsschwimmer haben den Bereich am und im Wasser im Blick. Hausverbote werden nur von mir ausgesprochen. Die Umsetzung erfolgt – wenn nötig – vom Sicherheitsdienstleister. Diese Arbeitsteilung ist sehr wichtig, dass ich meinen eigentlichen Job fokussieren und das Geschehen im Wasser weiter im Blick haben kann.

 

Kann man unter dem Strich also sagen, dass der Besuch im Freibad – gerade auch für die Neuenhagener – sicher und nach wie vor lohnend ist?

Körner: Nach wie vor. Gerade wer es mag, dass das Freibad ein Familienbad ist. Durch die Maßnahmen ist es definitiv sicherer geworden. Wenn ich angesprochen werde, empfehle ich allen, sich selbst ein Bild zu machen.

 

In den vergangenen Jahren haben sich einige Gäste nicht an die Regeln gehalten. Die Rathausverwaltung hat dann schnell reagiert und auf ein – auch in Berlin erprobtes – rein digitales Kartenverkaufssystem umgestellt. Nur noch vereinzelte Karten können seit der vergangenen Saison in der Bibliothek erworben werden. Was hat diese Umstellung in der Praxis gebracht?

Körner: Die Vermutung ist, dass sich beim Onlineticketkauf viele beobachtet fühlen, wenn sie ihre Daten hinterlegen müssen. Das könnte diejenigen abschrecken, die zu uns kommen wollen, um zu stänkern. Berlin und viele Großstädte haben mit diesem System gute Erfahrungen gemacht. Diese Leute wollen nicht erkannt werden. Zudem sind 3.000 Besucher für das Freibad zu viel. Deshalb war auch die Festlegung einer Besucherobergrenze wichtig. Diese ist online natürlich wesentlich besser steuerbar. Somit müssen wir niemanden mehr bei über 30 Grad Celsius nach einer langen Wartezeit nach Hause schicken, weil das Bad voll ist. So etwas hat früher die Gäste gestresst und zu Konflikten geführt. Mit dem Online-Ticketsystem wird so etwas vermieden.

Hochkomplexe Technik: Die Bedienung der Filteranlage erfordert ein hohes Maß an Fachwissen

 

Es gibt eine Obergrenze von 1.500 Besuchern, die gleichzeitig im Freibad Erholung suchen dürfen. Sie sagten, dass mit dem Online-Ticket-System diese Höchstzahl besser gesteuert und eingehalten werden kann. Wie wichtig ist es für Ihre Arbeit, dass diese Höchstzahl im Freibad eingehalten wird?

Körner: Für die Personenzahl im Wasser selbst ist die Obergrenze eigentlich nicht ausschlaggebend. Wenn das Becken voll ist, ist es voll. Dann geht niemand zusätzlich rein. Es geht eher um das Drumherum. Wenn die Wiese zu voll ist, steht man wohlmöglich 20 Minuten an der Toilette oder eine Stunde am Imbiss an. Das nervt die Besucher und kann die Menschen stressen, weil sie sich eigentlich erholen wollen. Mit der Obergrenze sind die Leute also ruhiger, was somit positive Auswirkungen auf den Badebetrieb an sich hat.

 

Während dieses Badebetriebes wird es auch mal sehr ernst. Führen Sie eigentlich eine Statistik, wie viele Menschen Sie am Liebermannweg gerettet haben?

Körner: Eine Statistik führe ich nicht. Aber drei Mal habe ich wirklich Leben gerettet. Wir springen natürlich oft vorher ins Wasser, um solche Situationen zu vermeiden. Wir holen viele Leute aus dem Wasser, bevor Schaden entstehen kann. Einen Herzinfarkt bekommt man aber nicht mit.

 

Was macht einen guten Schwimmmeister aus?

Körner: Die jüngeren Kollegen, die gerade den Job lernen, wollen viel Gutes im Wasser tun. Sie freuen sich, wenn sie einem Kind das Schwimmen beibringen, wenn sie Leute motivieren können, Wassergymnastik zu machen oder freuen sich einfach, wenn Familien kommen und einen schönen Tag haben. In den Freibädern war man früher für alles zuständig. Man hatte damals einen handwerklichen Grundberuf. Über Lehrgänge wurde das Fachwissen vermittelt. Dies hat sich total gewandelt, weshalb die Freibäder auch anders organisiert sind. Somit haben wir jetzt einen Gärtner, Reinigungskräfte oder Kassierer, was wir früher alles allein organisiert haben. Wer sich heute im Freibad bewirbt, muss ganz andere Anforderungen erfüllen.

 

Stichwort für alles zuständig: Es gab im Freibad zu DDR-Zeiten auch mal Ziegen und Meerschweinchen…. 

Körner: Kann man machen, muss man aber nicht. Die Hinterlassenschaften der Ziegen auf der Liegewiese würde heute kein Gast mehr akzeptieren. Auch die Meerschweinchen waren sicher ein tolles Highlight für die Kinder. Jedoch wäre dies heute unter Hygienegesichtspunkten nicht mehr darstellbar. Und auch die Zeit für so etwas ist einfach nicht mehr da. Früher hat man im Freibad gelebt. Ein Vorgänger hatte sogar noch eine Dienstwohnung gehabt. In Bad Freienwalde war dies bis zum vergangenen Jahr auch noch der Fall. Man war immer da, baute unzählige Überstunden im Sommer auf, sodass man im Winter drei Monate frei hatte.

 

Zum Abschluss: Was war Ihr witzigstes Erlebnis im Freibad in den mehr als drei Jahrzehnten?

Körner: Da muss ich mal unseren Chef hervorheben. Als wir die neue Rutsche eingeweiht haben, ist Gunter Kirst mit einem Anzug aus den 1950er Jahren die Rutsche runtergerutscht. Das war ziemlich cool und toll. Das muss im Jahr 1997 gewesen sein, weil die Rutsche ein Jahr nach der Eröffnung fertiggestellt wurde.

Die Fragen stellte der Mitarbeiter Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde Neuenhagen bei Berlin.