Kein Seifenkistenspektakel mehr in Neuenhagen

„Es hängt immer am Einzelnen.“  

Das Neuenhagener Seifenkistenspektakel ist Geschichte. Der Verein, der die beliebte Veranstaltung ausgerichtet hat, hat sich aufgelöst. Im Gespräch mit dem ehemaligen Vereinsvorsitzenden, Dieter Berthold, werden die Hintergründe beleuchtet. Er ermuntert die Neuenhagener zu mehr Eigeninitiative und ehrenamtlichem Engagement.


Herr Berthold, seit 2005 gibt es das Seifenkistenspektakel in der Gartenstadt. Wie lange waren sie Vereinsvorsitzender?

Berthold: Zur 775-Jahr-Feier der Gemeinde kam mir die Idee, auch etwas für Kinder zu diesem Fest anzubieten. Mit ein paar Mitstreitern wollte ich einmalig ein kleines Seifenkistenrennen zum Jubiläum von Neuenhagen organisieren. Einige Gewerbetreibende im Ort, wie etwa Franz Plank oder Detlef Laurisch, unterstützen uns hierbei maßgeblich. Zum ersten Rennen 2005 kamen 48 Starter. Es entwickelte sich dann eine Tradition, sodass jährlich Rennen stattfanden, - aus der Entstehungsgeschichte heraus – damals noch mit der Gemeinde als Veranstalter. Aus dem Rathaus wurde dann der Wunsch geäußert, einen Verein zu gründen. Den gibt es seit dem 11. März 2010, mit mir als Vorsitzenden.

 

Zum 1. August 2022 wurde der Verein „Seifenkistenspektakel e.V.“ notariell aufgelöst. Was sind die Gründe hierfür?

Berthold: Es war am Ende ein komplexe Gemengelage:  Corona, gesundheitliche, berufliche und familiäre Gründe fielen zusammen ins Gewicht. Auch der anstehende Straßenbau in der Lindenstraße war ein Teil dieser Entscheidung. Zudem haben wir mit Jutta Skotnicki, als eine tragende Säule des Vereins, ein wichtiges Vorstandsmitglied verloren. Wir haben es aus dem Verein heraus nicht geschafft, diese Stelle intern nachzubesetzen. Somit waren wir leider gezwungen den Verein aufzulösen.

 

Von außen betrachtet hatte der Verein immer genug Sponsoren – zuletzt immer 39 Unterstützer. Laut Rechnungsprüfern gab es auch keine Beanstandungen bezüglich der Kassenstände. An den Finanzen hat es also nicht gelegen – richtig?

Berthold: Das ist richtig. Wir haben sogar eine beträchtliche Summe – sicher auch coronabedingt und durch sparsames Wirtschaften – übrig behalten. Bei der zweiten Fassung unserer Satzung hatten wir uns entschieden einen Passus aufzunehmen, wie denn das Geld verwendet werden soll, wenn der Verein eines Tages nicht mehr existieren sollte. Somit wird eine vierstellige Summe dem Förderverein der Freiwilligen Feuerwehr unter der Bedingung zur Verfügung gestellt, dass dieses Geld für die Förderung der Jugendarbeit also explizit für die Jugendfeuerwehr zu Gute kommt.

 

An manchen Renntagen gab es mehr als 100 Starter. An Interessenten für das Spektakel hat es also nie gefehlt?

Berthold: Ganz im Gegenteil. Die Teilnehmer die angetreten sind, sind uns teilweise über den Kopf gewachsen. Diese 100 Starter kamen zum 10. Rennen. Da haben wir schnell gemerkt, dass dies zu viel ist. So entstanden lange Wartezeiten und alles zog sich in die Länge. So gab es dann eine Begrenzung auf 80 Teilnehmer. Man muss dazu sagen, dass von Jahr zu Jahr immer mehr Teilnehmer von auswärts kamen – die Weitesten aus Nürnberg und Dresden. Darunter waren auch Profis, die viel Geld in ihre Seifenkisten investiert hatten. In den besten Zeiten hatten wir 20, zum Schluss nur noch zwölf Mitglieder, die natürlich nicht für die Streckensicherung ausgereicht haben. Externe Hilfe war also immer notwendig. Ohne die Unterstützung der starken Truppe der Jugendfeuerwehr wäre dies überhaupt nicht möglich gewesen. Auch verschiedene Sponsoren haben mit ihren Quads die Seifenkisten wieder auf den Berg der Lindenstraße geschleppt, was eine große Erleichterung war.

 

Insgesamt sorgten 15 Seifenkistenrennen mit 1099 Teilnehmern aus 39 Orten für tolle Stimmung in Neuenhagen. Was waren für Sie die Höhepunkte?

Berthold: Besonders schön war für mich, dass unser Mitglied Erwin Schüffel die Mitfahrzentrale ins Leben gerufen hat. So konnten viele Kinder mit ihm als Steuermann und den Eltern hinten als Bremser mitfahren.

 

Konnten mit dieser zusätzlichen Attraktion neue Fahrer aus Neuenhagen gewonnen werden?

Berthold: Wir hatten immer gehofft, dass aus diesen Mitfahrkindern echte Rennteilnehmer werden, was sich leider so nicht erfüllt hat. Auch die Aktion unseres Schul-Cup`s, wofür wir unseren Zweisitzer zur Verfügung gestellt haben, hat nicht den Erfolg gezeigt, den wir erwartet hatten. Jede Schule sollte zwei Teilnehmer stellen und gegeneinander antreten. Aber auch das ist nach einem Jahr wieder eingeschlafen. Wir hatten aus den Neuenhagener Schulen heraus keine Unterstützung mehr bekommen.

 

Woran lag das?

Berthold: Grundsätzlich hat sich das Profil der Schule geändert. In meiner Zeit als Lehrer und Schuldirektor habe ich noch mit den Kindern handwerklich gearbeitet und hatte dafür einen Fachraum mit Werkzeugen und Arbeitsbänken zur Verfügung. Heute ist der Schulbetrieb viel theoretischer. Die praktische Arbeit rund um das basteln und bauen geriet in den Hintergrund. Und es liegt auch immer an den Menschen. Es ist wie bei so vielen Dingen: Es hängt immer am Einzelnen. Wenn sich niemand findet, der eine solche Aktion mit Herzblut unterstützt, kann dies keine Früchte tragen. Die Verbundenheit mit dem Ort ist bei weitem nicht mehr so, wie es einmal war. So kamen beispielsweise nach Schulschließungen viele Lehrer aus dem Oderbruch. Wenn die Schule aus war, war eben auch Feierabend, was wegen der langen Heimreise ja irgendwie verständlich ist. Solche Vereinsauflösungen sind eine traurige Tendenz die letzten Endes Neuenhagen ärmer macht. Alles zusammen ergibt ein buntes Gesamtbild, wo dann ein paar Mosaiksteinchen fehlen. Es ist schwierig, für das ehrenamtliche Engagement Menschen zu begeistern. Ein einfaches Beispiel: Die Seifenkisten mussten auf die Startrampe hochgeschoben werden. Einige Eltern standen daneben und warteten, dass die Vereinsleute die Wagen bewegten. Wenn man das den ganzen Tag macht, ist das wirklich schwere Arbeit. Die Tendenz, dass man nichts tun aber alles haben möchte, ist sichtbar.

 

Von diesen negativen Randerscheinungen abgesehen. Was ist Ihnen in guter Erinnerung geblieben?

Berthold: Nachdem sich ein Sponsor mit seinem Toilettenwagen zurückzog hat unser Mitglied Mathias Bahr, der von der Jugendfeuerwehr zu uns kam, selbst einen WC-Wagen gebaut. Das war eine tolle Sache. Grundsätzlich haben wir 15 Rennen gut über die Bühne gebracht, hatten nie mit den Anwohnern ärger. Unser ältester Mitfahrer war 78 Jahre alt. Wir haben alles zur Freude der Kinder organisiert und darauf blicken wir stolz zurück.

Interview und Austausch: Auch Bürgermeister Ansgar Scharnke informierte sich bei Dieter Berthold (links) über die Umstände der Vereinsauflösung.

 

Das Interview fand am 15. August 2022 im Rathaus statt. Die Fragen stellte der Sachbearbeiter Öffentlichkeitsarbeit.