Auf dem Gebiet Neuenhagens haben sich in den letzten Jahren Biber angesiedelt. Dies sind Einzeltiere, aber auch Familien wurden gegründet. Während das den einen freut, sind sie dem anderen ein Dorn im Auge, besonders wenn sie sich in unmittelbarer Nachbarschaft angesiedelt haben. Das ist am Neuenhagener Mühlenfließ der Fall. Wie sollte man mit ihm umgehen?
Nun ist der Biber durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) und die Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) eine ganzjährig streng geschützte Tierart. Das Fangen, Verletzen oder Töten der Tiere, sowie das Beschädigen oder Zerstören ihrer Bauten und Dämme sind verboten. Zuwiderhandlungen können mit empfindlichen Geldstrafen geahndet werden. So gesehen bleibt uns also gar nichts anderes übrig, als mit dem Biber zu leben. Aber vielleicht hilft ein kleiner Ausflug in die Biologie des Bibers, um das größte Nagetier Europas besser zu verstehen.
Biber gibt es bereits seit ca. 50 Millionen Jahren auf der Erde. Und sie haben Erfolgsgeschichte geschrieben. Im Laufe der Evolution lernte es der Biber, seine Umwelt seinen Bedürfnissen entsprechend zu gestalten. Durch seine Bautätigkeit reguliert er Wasserläufe so, dass er Lebensraum für sich schafft. Biber und Menschen sind damit die einzigen Lebewesen, die das können. In Europa wurde der Biber fast ausgerottet – als Pelzlieferant und Fastenspeise im Mittelalter und in heutiger Zeit durch Zerstörung seines Lebensraumes. Buchstäblich in letzter Minute ist es gelungen, ihn zu retten.
Biber sind an eine Lebensweise im Wasser sehr gut angepasst. Ihre Wohnstätten, Baue oder Burgen errichten sie so, dass der Eingang stets unter Wasser liegt, die Höhle aber trocken bleibt. Er benötigt dazu eine Wasserhöhe von ca. 70 cm, um bei Gefahr abtauchen zu können und zu seiner Wohnhöhle zu gelangen. Um diese Wasserhöhe zu erreichen, errichtet er geschickt aus Ästen, Zweigen, Schlamm und Grasbüscheln einen Staudamm, der ständig instand gehalten wird. Jegliche Zerstörung bewirkt, dass neue Bäume gefällt werden, um die Schäden auszubessern. Die alten Hölzer verwendet er nicht mehr, eine Zerstörung des Dammes ist also kontraproduktiv.
Die Jungtiere verbleiben bis zu zwei Jahren bei den Eltern. Erst dann sind sie so selbstständig, dass sie allein zurechtkommen, Bäume fällen und ihre charakteristischen Bauwerke errichten können. Dann suchen sie sich ein eigenes Revier, um eine Familie zu gründen. Die Paare bleiben ihr ganzes Leben lang zusammen. Die Nahrung des Bibers ist rein vegetarisch: Kräuter, Gräser und auch Feldfrüchte stehen auf dem Speiseplan. Für den Winter legt er sich aus Zweigen einen Nahrungsvorrat in der Nähe seines Baus unter Wasser an. So hat er auch bei Frost und Eis keine Not zu leiden, denn Biber halten keinen Winterschlaf. Bäume werden nur gefällt, wenn diese als Baumaterial oder als Nahrung im Winter benötigt werden. Hier kann es natürlich zu Interessenkonflikten mit dem Menschen kommen.
Aber der Biber hilft uns auch bei unseren Umweltproblemen: zum einen dem Klimawandel und zum anderen dem Aussterben von immer mehr Tierarten. Die Region um Neuenhagen herum, hat vor allem mit Wassermangel zu kämpfen. Auch können ausgetrocknete Böden bei Starkregen nicht genügend Wasser aufnehmen. Es fließt einfach nur weg oder es kommt zu Überschwemmungen.
Dadurch, dass der Biber Wasser staut, sorgt er dafür, dass es möglichst lange in der Region bleibt und die Böden nicht austrocknen. Durch das Eintragen von Gehölzen in Gewässer schafft er Lebensräume für Fische, Amphibien und Insekten. Diese Tiere stehen am Anfang der Nahrungskette. Der Biber hilft den Menschen somit unbewusst, Artenvielfalt wieder herzustellen. Das gestaute Wasser trägt auch zur Wiedervernässung von Mooren bei. Moore binden bekanntlich CO2 und wirken damit dem Aufheizen der Erdatmosphäre und damit dem Klimawandel entgegen.
Das alles macht der Biber, ohne dass es einen Cent kostet. Der Mensch sollte ihm hierfür nur seinen Lebensraum gönnen und ihm zugestehen, dass er die Landschaft seinen Bedürfnissen entsprechend verändert.
Biber sind insbesondere in Naturschutzgebieten sehr gut aufgehoben, wie es sie entlang dem Neuenhagener Mühlenfließ gibt. Sollte der Biber Schaden anrichten, gibt es laut der Brandenburger Biberverordnung Möglichkeiten, einzugreifen. Probleme sollten mit dem NABU Neuenhagen oder der Unteren Naturschutzbehörde in Seelow besprochen werden. Zu dieser Problematik wird aktuell für dieses Jahr eine Informationsveranstaltung vorbereitet.
Der Biber ist übrigens nicht nur eine streng geschützte Tierart, sondern auch eine überaus sympathische, weil sie uns Menschen in vielem sehr ähnlich ist. Und sind wir mal ehrlich: Anwohner, deren Grundstücke an das Neuenhagener Mühlenfließ grenzen, genießen sicher die „Natur vor ihrer Haustür“. Der Biber gehört auch dazu. Lärmgeplagte Anwohner an stark befahrenen Straßen, wie etwa der Hauptstraße, kämen ja auch nicht auf die Idee, deshalb zu verlangen, den Autoverkehr aus ihrer Straße zu verbannen.
Wer einmal sehen möchte, wie der Biber die Landschaft verändert, sollte einen Streifzug an die Zoche unternehmen. Dort hat der Biber im Lauf von nur zwei Jahren einen ausgetrockneten Wasserlauf in ein regelrechtes Feuchtbiotop verwandelt, indem sich zahlreiche andere Tiere wohlfühlen.
Autorin: Helgard Reinsberg (Mitglied NABU Neuenhagen)