Drei Friedhöfe oberhalb der Bahnlinie


Jedes Jahr im November begehen wir den Totensonntag. Ein Tag an dem wir auf den Friedhöfen unserer Angehörigen gedenken und ihre Gräber winterfest machen. Es ist aber auch ein guter Zeitpunkt, um an die drei Friedhöfe oberhalb der Bahnlinie und ihre Geschichte zu erinnern. Im vergangenen Jahr hatte ich bei einem Vortrag den Friedhof in der Rudolf-Breitscheid-Allee vorgestellt, in diesem Jahr war es der Waldfriedhof. Bei meinen Vorbereitungen für den Vortrag fiel mir wieder auf, dass immer mehr Grabsteine verschwunden oder nur noch schwer lesbar waren. Erinnere ich mich an meine Kindheit, so ist das, was wir heute noch sehen, nur ein Bruchteil von den ursprünglichen Gräbern von damals. 

Die Zeichnung zeigt den geplanten Friedhof in der Gartenstraße um 1930; Quelle : Archiv Kai Hildebrandt


Der älteste aller drei Friedhöfe ist der Kirchhof rund um die Kirche in der Carl-Schmäcke-Straße. Wann er genau begründet wurde ist nicht überliefert, es wird aber schon mehrere Jahrhunderte her sein. Die älteste mir bekannte Erwähnung bezieht sich auf das Jahr 1769 als auf dem Kirchhof zwei Ruten Maulbeerbäume (eine alte preußische Maßeinheit, diese entspricht ungefähr etwas über 3,76 Meter, im oben genannten Fall also etwas über 7 Meter) gepflanzt wurden, die beim Seidenbau Verwendung fanden. Berlin galt damals neben anderen Städten als Zentrum der märkischen Seidenindustrie und der Stoff war wegen seiner Elastizität und Zugfestigkeit unverzichtbar in der damaligen Herstellung von Strümpfen, Haarbändern und Weiterem. Im Jahr 1876 wird der Friedhof dann polizeilich geschlossen. 

Bereits 1875 hatten Verhandlungen zur Anlegung eines neuen Friedhofs begonnen, an deren Ende man das neue Gelände im Oktober 1876 vom Bauer Wolter erwarb. Der neue Kirchhof fand seinen Platz am Feldweg, der Verlängerung der Dorfstraße (heute Carl-Schmäcke-Straße). Man gab jenem Weg, der zum damals noch außerhalb gelegenen Friedhof führte, den dazu passenden Namen „Kirchhofstraße“. Heute ist jener Teil in die Rudolf-Breitscheid-Allee integriert. Zur Verschönerung der Anlage pflanzte man damals 70 Tannen. Erst sechs Jahre später nach seiner Eröffnung errichtete man nach den Plänen des Maurer & Zimmermeister Georg Liesegang eine Leichenhalle. In alten Unterlagen kann man lesen, was den Friedhof einst begrenzte, zwei Mal ein Acker und ein Mal eine Heide. Heute wären das eine Straße, die Reste einer Kleinbahn und ein Wohnhaus. Die erste Beisetzung auf dem neuen Begräbnisplatz fand am 20. Juli 1879 statt, als dort der achtjährige Sohn des Tischlers Ihr dort seine letzte Ruhe fand. 

In den 1930er-Jahren wurde auch dieser Friedhof zu klein und man plante eine größere Neuanlage hinter dem Rennstall Oppenheim in der Königs Allee (heutige Hauptstraße). Nach der Parzellierung des Schumann-Geländes (heute Haus der Senioren und Haus der Begegnung und des Lernens) zu Beginn der 30er-Jahre entstand zwischen der Speyerstraße und dem Oppenheim Stall ein neues Wohngebiet, das heute teilweise noch unter seinem Namen „Rheinisches Viertel“ bekannt ist. Hierzu zählten damals entstandene Straßen wie die Koblenzer-, Wormser- oder Mainzer Straße. An der bisherigen Grundstücksgrenze wurde eine neue Straße angelegt. Anfangs noch als verlängerte Gartenstraße betitelt, bekam sie bald ihren heutigen Namen, Lahnsteiner Straße. Durch diese jetzt günstigere Verbindung zur König Allee und dem Wegfall der hinter dem Rennstall geplanten Straße gab es an dieser Stelle einen idealen Platz für einen neuen Friedhof. Dieser sollte würdig, zeitgemäß aber auch so angelegt sein das vorausschauend auf die kommenden Jahre ein entsprechend großer Platz geschaffen wird. Als Architekten hatte man Bruno Lohmüller ausgewählt, der in Neuenhagen bereits einige Zeugnisse seines Könnens abgelegt hatte. 

Die geplante Größe des neuen Geländes sollte 13.000 Quadratmeter sein und in Richtung zur Jahnstraße abfallend aus vier Terrassen bestehen. Jede Abteilung sollte ihre eigene Note haben. In der einen die Reihengräber, in einer anderen die Familiengräber, in einer weiteren die Urnengräber und in der letzten die Kindergräber und die Friedhofsgärtnerei; alle Bereiche geschmackvoll durch Sträucher geteilt. Von der Kapazität sollte der Friedhof ein Fassungsvermögen von ca. 3.000 Gräbern haben, was laut Planern für die nächsten 30 Jahre ausreichen sollte. Der Eingang wäre Flankiert gewesen von zwei Torhäusern, eines als Warteraum, dass andere als Pförtnerwohnung angelegt und mittendrin wäre der Blick durch den mit Pappeln gesäumten Weg zur mit Säulenvorhalle versehenen Friedhofskapelle freigeben. Diese sollte neben dem Trauerraum einen Leichenraum haben von wo aus der Sarg via Fahrstuhl hätte nach oben gefahren werden können. Der Raum in dem die Trauergemeinde Platz gefunden hätte, wäre elektrisch beheizbar gewesen und hätte neben Bleiverglasten Fenstern eine Empore für einen Sängerchor beinhaltet. Letztendlich scheiterte das Vorhaben, wie so oft, am Finanziellen und wurde zu den Akten gelegt. 

Anstelle des Neubaus bekam der Friedhof in der Eichen-Allee, der heutigen Rudolf-Breitscheid-Allee, eine Erweiterung. Die dritte Kapazitätsausweitung folgte dann um 1937. 1945 nutzte man noch einmal den Friedhof um die Kirche und bestattete hier 51 Menschen, die am Ende des Krieges hier im Ort zu Tode gekommen waren. Nach der Enteignung des Union-Klub ging das Gelände der Trainierbahn an die Landesregierung Brandenburg über. Das Grundstück auf dem sich heute der Waldfriedhof befindet, welches sich bis zum kleinen Weg zum Gut (am Mode-Laden) erstreckt, gehörte ab Juni 1950 der Gemeinde. Die erste Beisetzung fand auf diesem Friedhof am 13. Februar 1953 statt. Nur unweit des Eingangs befindet sich die Friedhofshalle, die einst von Walter Güßfeldt entworfen und errichtet wurde. 

Nur vier Jahre später mussten die Beisetzungen gestoppt werden, da sich in einem Meter Tiefe Wasser zeigte. Oberflächenwasser und die Einleitungen von Schmutzwasser durch das Krankenhaus und das Volksgut, in den auf dem Gelände befindlichen Teich, sorgten für einen erhöhten Grundwasserstand. Als Maßnahme schlug man damals vor, die Beisetzungen auf dem Gelände abzubrechen und stattdessen das Gelände des Bollensdorfer Friedhofs für weitere anfallende Beisetzungen zu erweitern. Wie man schlussfolgern kann scheint man das Problem damals in den Griff bekommen zu haben. Groß ist die Liste derer die auf den genannten drei Friedhöfen ihre letzte Ruhe gefunden haben. Ebenso groß ist jene Liste der Grabstellen, die es heute nicht mehr gibt. Einige sind noch fotografiert worden, andere sind für immer verschwunden. Wenn auch jene Grabstellen beräumt wurden, so ist es vielleicht einmal möglich, ähnlich wie in Hoppegarten, auf den beiden Friedhöfen eine Tafel mit Namen von Persönlichkeiten aufzustellen die hier einstmals ihre letzte Ruhe fanden, gemäß des alten Leitsatzes: „Was niedergeschrieben wurde ist gerettet !“

Farbfoto: Friedhof in der Rudolf- Breitscheid-Allee, Quelle: Archiv Kai Hildebrandt