Wohl kaum jemand, der heute an der Hausnummer 106 in der Rudolf-Breitscheid-Allee stehenbleibt erahnt, dass es sich hier um eines der ältesten Häuser in der Straße handelt und in diesem Gebäude einst das erste Restaurant in der Straße seinen Platz hatte. Die Geschichte zum Haus beginnt 1904 als sich der Maurer- und Zimmermeister Georg Liesegang an der unbefestigten Straße nach Dahlwitz ein Wohnhaus mit integrierter Gaststube errichtet. Die Nachbarschaft ist übersichtlich und dato an einer Hand abzählbar. Auf der einen Seite der Bahnhof Hoppegarten und die neu errichtete katholische Kirche nebst daneben liegendem Rennstall und etwas weiter rechts der Rennstall auf der Feigelshöhe, der spätere Rennstall des Haupt-Gestüt Graditz. Davor liegt das Baugelände auf dem später das Sanatorium entstehen wird. Das Haus wird 1905 fertiggestellt. Auf die Absicht es zu vermieten bewirbt sich bereits im November 1904 der aus Neuenhagen stammende Glasermeister Otto Kröckel um die Erlaubnis zum Betreiben einer Gastwirtschaft. Die Schankkonzession wird ihm mit Hinweis verwehrt, dass das Haus vollständig isoliert hart an der Grenze zu Hoppegarten steht und die Umgebung wenig Kundschaft brächte. Anscheinend bekam er dann wohl doch seine Erlaubnis da aus jener Zeit eine Ansichtskarte vom „Cafe Kröckel“ überliefert ist. Im Laufe der Jahre wechseln hier die Betreiber. Hermann Kornblum, Georg Reimann oder Ernst Voley sind einige von ihnen. Letzterer hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Zum einen ist er später der Pächter des bekannten „Sonnigen Eck“ in Hoppegarten, wo er als Papa Voley sich größerer Beliebtheit erfreute, im Schweizerhäuschen ist er mit seinen drei Affen, Max und Moritz und dem sanften Heinrich – die in einer Voliere leben –, die Attraktion zur Freude seiner Gäste. Die hier erhältlichen Speisen reichen – überliefert ist eine Speisekarte aus den dreißiger Jahren – von Fisch-, Fleisch- bis zu Eierspeisen. Kaffee und Kuchen runden das Angebot ab. Ein großes Problem bildet die naheliegende Konkurrenz. Nur über die Straße befindet sich „Laubes Likörstube“ und an der nächsten Ecke „Cafe Szekalla“. Auch in unmittelbarer Nähe bieten sich den Neuenhagenern und Hoppegartenern Möglichkeiten zur Einkehr. Die Bahnhofswirtschaften an der Kleinbahn und am Bahnhof Hoppegarten, als auch das Logierhaus, liegen nicht weit entfernt. Diverse Veranstaltungen in den Restaurants buhlen um das Geld und die Gunst der Gäste. Die Angebote reichen vom Hausmaskenball, Pfannkuchen Wettessen, musikalischen Auftritten, Bockbierfest bis hin zum Silvesterball. Ein trauriges Kapitel schlägt die Nacht vom 3. zum 4. Januar 1944 auf. Nach einem Angriff auf Berlin kommt es auch in Neuenhagen zum Abwurf einiger Bomben. Beschädigt werden neben einem Wohnhaus an der Ecke zur Virchowstraße, auch das daneben liegende Wohn- und Geschäftshaus der Familie Hilcken und auch das Wohnhaus dahinter, was sich in der Lindenstraße befindet. Bei den beiden Treffern wird auch das Schweizerhäuschen in Mitleidenschaft gezogen. Der Detonationsdruck reißt ein großes Loch in den zur Lindenstraße gelegenen Teil des Hauses. Provisorisch zugemauert und repariert ist es in einer Zeitschrift von 1947 noch einmal als Restaurant erwähnt, bevor es ein reines Wohnhaus wird. Die Witwe des letzten Betreibers Emil Rennwanz wechselt quer über die Straße in das ehemalige Cafe Szekalla und führt zusammen mit ihrem neuen Mann das Schweizerhäuschen fort, aber das ist schon wieder eine neue Geschichte und wird in einer Fortsetzung erzählt.
Autor: Kai Hildebrandt ist Neuenhagens Ortschronist und Autor mehrerer Publikationen über Neuenhagen und den Pferdesport in der Region.
Hinweis: In dieser Kolumne schreiben unterschiedliche Autoren über besondere Orte, spannende Geschichten oder einfach nur wissenswerte geschichtliche Begebenheiten, die Neuenhagen im Zeitverlauf zu dem gemacht haben, was es heute ist – die Heimat von fast 20.000 Menschen.
Aufmacherfoto: Das Schweizerhäuschen im Jahr 1914 (Archiv Kai Hildebrandt)