Die Rathausverwaltung hat Wildbienen auf ausgewählten Grünflächen in der Gemeinde Neuenhagen bei Berlin erfassen und bewerten lassen. Das in diesem Zusammenhang erstellte Gutachten lässt darauf schließen, dass aktuell in der Gartenstadt um die 200 Wildbienenarten leben.
Die Gemeinde Neuenhagen bei Berlin trat im Jahr 2016 mit dem Konzept „Neuenhagen summt“ der bundesweiten Aktion „Deutschland summt“ bei. Dieses Konzept zielt darauf ab, die Biologische Vielfalt in Orten und in Ortsrandbereichen zu fördern. In Neuenhagen wurde dabei in den vergangenen Jahren die Grünflächenpflege extensiviert. Statt der früher üblichen vier bis sechs Mahdtermine wurden auf rund jeder dritten öffentlichen Grünfläche nur noch ein- bis zweimal im Jahr gemäht. Das führte zu einer offensichtlichen Verbesserung der Dauer und der Vielfalt des Blütenangebotes. Davon konnten auch blütenbesuchende Insekten profitieren, wie Untersuchungen zur Tagfalterfauna in Neuenhagen zeigten. Um den Effekt der Maßnahmen auf die als Blütenbestäuber so wichtigen Wildbienen zu dokumentieren, wurde von der Gemeindeverwaltung Neuenhagen ein Gutachten in Auftrag gegeben. Insbesondere auf Grünflächen mit geringer Mahdfrequenz wurden die Bestände der Wildbienen erfasst. Im Rahmen einer Erfolgskontrolle wurden die Untersuchungen im Jahr 2022 wiederholt. Die Ergebnisse können im Gutachten vom März 2023 nachgelesen werden.
Die Roten Listen Brandenburgs und Berlins und weitere dort noch nicht berücksichtigte Arten umfassen ca. 400 rezente Wildbienenarten für die regionale Fauna. In Neuenhagen wurden mit 127 Arten nahezu ein Drittel der regional bekannten Arten nachgewiesen. Aus der relativ hohen Gesamtartenzahl (unter Berücksichtigung der auf lokaler Ebene geringen Biotopvielfalt) und dem hohen Anteil gefährdeter Arten beziehungsweise Arten der Vorwarnlisten (zusammen 47 Arten) sowie der hohen Zahl an Nahrungsspezialisten (26 Arten) ergibt sich eine lokale bis regionale Bedeutsamkeit der Untersuchungsflächen. Daher hätte eine Verschlechterung der Biotopqualität höchstwahrscheinlich negative Auswirkungen auf die Wildbienenbestände der untersuchten Biotope, heißt es im vorliegenden Gutachten.
Laut Fachliteratur nimmt der Anteil polylektischer Wildbienenarten – also Wildbienen ohne Spezialisierung auf bestimmte Pollenquellen – in städtischen Biotopen aufgrund der floristischen Verarmung und des erhöhten Anteils gebietsfremder Pflanzenarten in vielen Untersuchungen in urbanen Räumen zu. Dies ist laut Gutachten in Neuenhagen nicht zu beobachten, da hier 26 Pollenspezialisten nachgewiesen wurden.
Daraus lässt sich ableiten, dass das Blütenangebot auf den Flächen insgesamt ausreichend ist, auch für einige anspruchsvolle Arten. Es ist nicht nötig, mit großem Aufwand Blühstreifen auf dafür hergerichteten Rohbodenflächen anzulegen. Dies gilt besonders dann, wenn dafür etablierter Oberboden erst abgetragen und dann neue „tote“ Erde aufgetragen wurde. Wie in der Untersuchung in Neuenhagen deutlich wird, ist es oftmals ausreichend, durch extensive Pflegemaßnahmen die bereits vorhandenen Pflanzenarten zu fördern.
Bisweilen können nach mehrjähriger Beobachtung gezielt einzelne Arten ausgebracht werden (z. B. Reseda, Jasione, Onobrychis, Campanula, Barbarea, Salix). Aus der jüngsten Recherche der Fachliteratur geht außerdem hervor, dass in städtischen Lebensräumen oberirdisch nistende Arten gegenüber unterirdisch nistenden Arten überwiegen. Dieser Annahme kann in Bezug auf die Gartenstadt Neuenhagen nicht gefolgt werden, da in der vorliegenden Untersuchung bodennistende Arten deutlich überwiegen. Eine Begründung dafür könnten die überwiegend sandigen Böden im Untersuchungsgebiet sein, die oft so bewachsen sind, dass Lücken entstehen und Wildbienen Raum zum Nestbau bieten. Einige Untersuchungsflächen fallen durch besonnte Böschungen auf, die besonders gern zum Nestbau genutzt werden.
Ein geringer Anteil oberirdisch nistender Arten lässt sich dagegen durch ein geringes Angebot an oberirdischen Niststrukturen ableiten (Totholz, trockene Stängel, Mauerfugen usw.). Um solche Arten zu fördern können weitere künstliche Nisthilfen im Gemeindegebiet verteilt werden.
Die Artenzahl der Kuckucksbienen korreliert mit der Anzahl der Wirtsarten. Letztere müssen aber in ausreichend großen Populationsdichten vorkommen. Unter den bisher festgestellten 27 Kuckucksbienenarten befinden sich zwei Arten, deren Wirte noch nicht nachgewiesen wurden. Es kommen somit im Gebiet weitere Bienenarten vor und die Anzahl von 127 Arten gibt nur einen Zwischenstand wieder. Es kann deshalb davon ausgegangen werden, dass in der Gemeinde Neuenhagen bei Berlin um die 200 Wildbienenarten leben, schlussfolgern die Gutachtenersteller.
Autorin: Frau Mirus, u.a. zuständig im Rathaus für das Projekt Neuenhagen Summt