Stellungnahme des Bürgermeisters

„Lassen wir uns nicht verrückt machen.“


Sehr geehrte Damen und Herren Gemeindevertreter, liebe Neuenhagener,

wie aus einer Reihe von Gesprächen mit Ihnen deutlich wurde, besteht einiger Aufklärungsbedarf in Sachen WSE, Wasser und der beantragten Abwahl des Verbandsvorstehers des WSE. Auch die Behandlung in den Medien hat bei vielen Gemeindevertretern und Bürgern für Unsicherheit gesorgt sowie Ängste und Sorgen bereitet. Das Thema „Trinkwasser und Wassermangel“ ist ein emotionales Thema - keine Frage. Deswegen ist es umso nötiger, die Fakten im Blick zu haben:

Die öffentliche Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung sind kommunale Pflichtaufgaben unserer Gemeinde. Ebenso wie wir als Gemeinde Neuenhagen verpflichtet sind, Grundschulen und Kindertagesstätten bereitzustellen und als Straßenbaulastträger oder Träger des Brandschutzes in der Daseinsvorsorge in der Verantwortung stehen, sind wir verpflichtet, in Neuenhagen unsere Bürger und Unternehmen mit Trinkwasser zu versorgen und das Abwasser zu entsorgen. Diese Pflichtaufgabe haben 16 Städte und Gemeinden durch die Gründung des Zweckverbandes Wasserverband Strausberg-Erkner in den 90er Jahren nicht etwa abgegeben. Nein, der WSE führt die Wasserversorgung als Teil unserer Kommunalverwaltungen durch. Ihm ist gemäß § 21 Kommunalverfassung und § 4 Wasserversorgungssatzung sogar ein Anschluss- und Benutzungszwang hierfür übertragen beziehungsweise eingeräumt worden.

Die Bürgermeister und Gemeindevertretungen müssen für diese Verpflichtung Sorge tragen. Wenn eine Stimmenmehrheit der Bürgermeister aus dem WSE kürzlich einen Antrag auf Abwahl des Verbandsvorstehers André Bähler einbringt, dann tun diese Bürgermeister dies nicht zum Vergnügen. Sie tun dies aus Verantwortung für die zukünftige Entwicklung unserer Kommunen. Die Gründe sind im Wesentlichen, dass der WSE die ihm übertragenen Pflichtaufgaben nicht mehr so erfüllt, wie es gesetzlich gefordert ist und wie es die Entwicklung in den Gemeinden erfordert:

Spätestens seit März 2022 hat der WSE die Einvernehmenserteilung innerhalb der Bauleitplanung eingestellt. Dies erfolgte ohne Absprache und ohne Ermächtigung durch die Mitgliedskommunen in der Verbandsversammlung!

Damit greift der WSE auch in die Kompetenz unserer Gemeindevertretung ein. Die kommunale Selbstverwaltung und hierbei die Ortsentwicklung und Planungshoheit obliegt allein der gewählten Gemeindevertretung. Durch sein Handeln hat der WSE eigenmächtig die Bauleitplanung im Verbandsgebiet und in Neuenhagen blockiert. Dies bedeutet auch, dass keine neuen Schulen oder Kitas mehr gebaut werden können, da sie in der Regel einen Bebauungsplan voraussetzen.

Die Begründung des WSE hierfür lautet Wassermangel. Doch die Fakten, also die vom WSE kommunizierten Zahlen, lauten wie folgt: Der WSE hat Genehmigungen für Wasserentnahmen in Höhe von 17 Millionen m³ p.a. erhalten, von denen knapp 15 Millionen m³ unzweifelhaft nutzbar sind. Mit diesen Wasserrechten fördert der WSE für den privaten und gewerblichen Verbrauch ca. 10 Millionen m³ p.a. in 2021 und 2022. In diesem Jahr wird es aufgrund des feuchten Sommers eher weniger sein. Der Puffer an freien Kapazitäten beträgt also ca. 50 Prozent. Tesla ist in dieser Rechnung enthalten. Die an Tesla im Jahr 2020 zugesagten Mengen in Höhe von 1,8 Millionen m³ wurden dem WSE damals durch 2,1 Millionen m³ neuer Wasserrechte ausgeglichen.

Der WSE fordert für das zukünftige Bevölkerungswachstum weitere Wasserrechte vom Land Brandenburg innerhalb unseres Verbandsgebietes. Dies ist die einzige Strategie von Herrn Bähler in Sachen Zukunft der Trinkwasserversorgung: Mehr Wasser zu pumpen in den bestehenden Brunnen rund um Strausberg und Eggersdorf. Zusammen mit anderen Bürgermeistern bin ich lange der Argumentation von Andrè Bähler für diese zusätzlichen Wasserrechte hier bei uns gefolgt. Ich halte ihn auch nach wie vor für einen engagierten Fachmann.

Inzwischen müssen wir jedoch zur Kenntnis nehmen, dass die verfügbare Grundwasserneubildung bei uns zu gering ist. Weniger aufgrund der Fördermengen des WSE, sondern aufgrund der weitaus mehr ins Gewicht fallenden Fördermengen Berlins. Weiter östlich in Richtung Oder bestehen jedoch ausreichend verfügbare Kapazitäten und wir können vom Land Brandenburg nur dort auf Genehmigungen hoffen. Dort sollten wir mit den umliegenden Wasserverbänden kooperieren. Der WSE hat dies in den vergangenen Monaten blockiert.

Dies zeigt auch eindrücklich den Widerspruch in der Strategie des WSE auf: Einerseits beschwört er den Wassermangel im Verbandsgebiet und geriert sich als Retter und Bewahrer unseres Grundwassers. Andererseits prangert er die fehlenden wasserrechtlichen Genehmigungen des Landes rund um Strausberg an und möchte alle Verantwortung beim Land wissen. Ich bin mir inzwischen sicher, dass wir rund um den Straussee in Strausberg keine zusätzlichen Genehmigungen mehr erhalten werden, aus offensichtlichen Gründen.  

Der WSE kritisiert öffentlichkeitswirksam die nun vom Landkreis genehmigten Brauch- und Löschwasserbrunnen in Neuenhagen und Vogelsdorf, stellt selbst aber kein Wasser zur Verfügung, wozu er aufgrund des verfügten Anschlusszwangs gemäß Satzung des WSE eigentlich verpflichtet ist. Möglichkeiten, Wasser zu liefern hat er jedenfalls noch ausreichend, wie ich bereits erläuterte. Interessant ist hierbei auch, dass Neuenhagen und Fredersdorf-Vogelsdorf dabei nicht einmal im Einzugsbereich eines der Wasserwerke des WSE liegen. Nein, wir befinden uns bereits komplett im Einzugsbereich des Wasserwerks Berlin-Friedrichshagen, welches jedes Jahr 83 Millionen m³ Grundwasser fördert. Das ist das 8-fache der Gesamtförderung des WSE. Die hohe Grundwasserentnahme durch Berlin-Friedrichshagen ist der Hauptgrund dafür, dass sich Neuenhagen auf einigen Karten in einem roten Bereich erhöhter Grundwasserbeanspruchung befindet. Der WSE ist von Brunnenentnahmen in Neuenhagen und Vogelsdorf nicht betroffen.

Das Verhältnis zwischen der Verbandsführung und den Bürgermeistern, den übergeordneten Behörden wie Land und Landkreis ist seit geraumer Zeit belastet und Stand heute durch mehrere Gerichtsverfahren und unzählige lancierte Presseartikel nicht mehr von Kooperation, sondern von Konfrontation gekennzeichnet. Inzwischen hat der WSE sogar indirekt Widersprüche und Klagen gegen die von uns als Übergangslösung beantragten Lösch- und Brauchwasserbrunnen angekündigt beziehungsweise eingelegt. Im Falle der illegalen Mülldeponie in Vogelsdorf will ein privater Investor die Entsorgung der Müllaltlasten für einen zweistelligen Millionenbetrag übernehmen. Sollte der WSE hier jahrelange Rechtsstreitigkeiten vom Zaune brechen, wird der Landkreis am Ende die Entsorgung übernehmen müssen und die Kosten werden über unsere Abfallgebühren auf die Haushalte umgelegt. Das ist keine vernünftige Lösung, finde ich.

Ich bin überzeugt davon: Die tatsächlich bestehenden Herausforderungen werden wir nur in Kooperation lösen. Die aktive Pressearbeit des WSE – der selbst, obwohl Teil unserer Verwaltung –, Politik und Stimmung macht, ist hierbei hinderlich. Stellen Sie sich einmal vor, die Wasserversorgung wäre ein Fachbereich innerhalb des Rathauses und der Fachbereichsleiter verfolgt eine von Bürgermeister und Gemeindevertretung losgelöste eigene Agenda und tut dies über Gerichte und die Presse. Genau, er wäre die längste Zeit Fachbereichsleiter gewesen und dies ist der Grund, der mich und andere Bürgermeister dazu bewegt hat, zum letzten Mittel, also dem Antrag auf Abwahl zu greifen. Wir müssen unsere Aufgaben der Daseinsvorsorge erfüllen. In Bezug auf die Zukunft der Wasserversorgung ist der WSE seit einigen Jahren schlicht und ergreifend dysfunktional. Diesen Zustand können aus meiner Sicht keine Gemeinde und kein Bürgermeister und auch keine Gemeindevertretung länger hinnehmen.

Ich habe meine Sichtweise der Dinge auch im Ortsentwicklungs-, Bau- und Umweltausschuss unserer Gemeinde am Montag geäußert und Verständnis für diese Position und breite Zustimmung erfahren. Der Versuch, mir per Antrag der Fraktion Napieraj/Obenauf in meiner Funktion als Bürgermeister eine Handlungsanweisung für die Abstimmung in der WSE-Verbandsversammlung zu erteilen, wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.


Ihr Bürgermeister 

Ansgar Scharnke