Neuenhagener Straßen (Teil 1/3)


Straßen begleiten uns unser ganzes Leben. Vom Besuch des Kindergartens, der Schule, auf den Weg zur Arbeit und selbst bei unserem letzten Weg spielen sie eine Rolle. Oftmals erklären uns Ansichtskarten, Fotos oder Erzählungen ihre Entstehung. Dennoch bleibt uns vieles meist verborgen. In diesem und den zwei nachfolgenden Teilen soll etwas zu drei Neuenhagener Straßen und ihrer Geschichte berichtet werden. 

Den Anfang macht die 1908 im Parzellierungsplan benannte Straße 1, die heutige Rudolf-Breitscheid-Allee. Ihre erste bisher nachweisbare Erwähnung hat sie auf einer Karte von 1839, wo sie vom Dorf ausgehend als Feldweg bis zum ehemaligen Vorwerk in Hoppegarten – dem heutigen Wirtschaftshof der Rennbahn – führt. Mit Errichtung der Königlich Preußischen Ostbahn im Jahre 1867, die Nahe Hoppegarten vorbeiführt, endet der Feldweg vor dem Gleisen. 1895 führt ein Stück der Straße, die ab der Virchow Straße das Neuenhagener Gebiet verlässt, durch zwei links und rechts des Weges befindliche Koppeln, die dem Union-Klub gehören. Das um 1890 errichtete Bahnhofsgebäude erreicht man über eine Hochbrücke die beide Seiten verbindet. Um 1902 wird dann der „Tunnel“, wie die damalige Presse die Unterführung nannte, errichtet und löst damit den bisherigen Bahnübergang nach Hoppegarten ab, der sich am Ende der Dahlwitzer Straße befand. Einst führte die Straße – die den Namen ihres Zielortes trägt – durch den Wald, überquerte die Gleise und endete dort, wo heute die Hoppegartener Gemeindeverwaltung ihren Sitz hat. Die bisherige Straße nach Dahlwitz verliert später mit der Errichtung der Birkensteiner Straße ihre Bedeutung. Mit der Unterführung und der Errichtung der katholischen Kirche im Nachbarort bekommt der nun als Straße fungierende ehemalige Feldweg eine vollkommen andere Bedeutung. 

Ihren Anfang nimmt die Straße wie der einstige Feldweg an der sternförmigen Kreuzung von der man bequem die Nachbarorte Hönow, Seeberg, Altlandsberg und Bollensdorf sowie die Kolonie Niederheide erreicht. Hatten die Straßen in dem aufstrebenden Ort einst Nummern, bekommen sie 1893 zum Teil Namen. Die Gemeindevertreter hatten die Vergabe von 10 Straßennamen beschlossen. Im Einzelnen waren das die Dorfstraße (heute Carl-Schmäcke-Straße), die Schlossstraße (heute Am Krankenhaus), die Neuenhagener Allee (damals noch bis zum Fließ, heute bis zu den Schranken als Hauptstraße), die Niederheidenstraße (heute bis zu den Schranken Am Rathaus und Rathausstraße) und die Kirchhofstraße (einst vom Stern bis zum 1879 angelegten Friedhof, heute als Teil der Rudolf-Breitscheid-Allee). Zur Vergabe gehörten auch die Dahlwitzer Straße (noch heute so, allerdings endet sie heute am Aufgang zum ehemaligen Graditzer Hof), die Bahnhofsstraße (damals noch bis zur heutigen Rudolf-Breitscheid-Allee) – später wurde ein Teil zu Am Friedhof, während der Rest heute Ernst-Thälmann-Straße heißt. Die Wiesenstraße, parallel zur Ostbahn gelegen und für die Verbindung von Bollensdorf nach Berlin sowie in Dahlwitz endend, die Berliner Straße, schließen den Kreis der 10 Straßen. 

Noch bis Mitte der zwanziger Jahre tragen viele Straßen Nummern statt Namen. So etwa die Straße 52, die heutige Landhausstraße und auch die Straße 55, die heute Am Vogelsang heißt oder die Straße 21, heute bekannt als Schulstraße. 1901 beginnen die Planungen zur Anlage der „Chaussee Neuenhagen-Dahlwitz“. 1906 enden diese Arbeiten und man gibt der Straße später, nach den durch den Gärtner Heinrich Wehke gepflanzten Eichen, den Namen Eichen-Allee. 

Übrigens entsteht in dieser Zeit auch der Wegweiser der noch heute seinen Standort am Stern – dem heutigen Kreisverkehr der liegenden Acht – hat. Berichten tut darüber ein Schriftstück über die Verwendung des Steines. Der Stein wurde beim Steinmetzmeister E. Zimmermann in Strausberg hergestellt und sollte als Sockel für den Kandelaber, einem mehrarmigen Mast für die Straßenbeleuchtung, dienen. Die ersten Häuser der Straße befinden sich noch heute am Stern. Zweitältestes Gebäude ist die heutige Nummer 106 über deren Geschichte ja bereits in einer der vorangegangenen Ausgaben der Glockenturmzwiebel berichtet wurde. 

Ihre Blütezeit erreicht die Eichen-Allee mit der Errichtung der „Gartenstadt Hoppegarten“. Benannt ist dieser Siedlungsteil, der ab 1910 entstand, aus der Kreation der Begriffe „Gartenstadt“ – also dem Vorhaben eine Siedlung vorrangig bestehend aus Gärten zu errichten – und dem Namen Hoppegarten, der durch die Rennbahn zu dieser Zeit in aller Munde ist. Neben ihrem kommunalen Stellenwert entwickelt sich die Straße auch als wichtige Verbindung zwischen dem Stern mit seinen abgehenden Straßen und Hoppegarten, dass sich durch die Rennbahn und dem Pferderennsport selbst verstärkt entwickelt. 

Viele in der alten Zeit entstandenen Läden sind noch bis zum Ende der DDR (zum Teil auch heute noch) vorhanden. Als Beispiele dafür seien hier die Eichen-Drogerie, die Papier und Schreibwarenhandlung Ludwig, der HO oder das „Graue Elend“ genannt. Gemeint ist damit die Hausnummer 82 die diesen scherzhaften Titel von den Neuenhagenern wegen ihres grauen Anstrichs einst bekam, wozu die Apotheke, der Uhrmacher Walter Feilcke und die Bäckerei gehörten. Ebenso das Il Castello hat seinen Ursprung in jener Zeit und ist bis heute ein beliebter Treffpunkt. 

In den dreißiger Jahren werden in Neuenhagen wie vielerorts Straßen von den Nationalsozialisten umbenannt. Die Eichen-Allee trifft es 1936. Für die nächsten neun Jahre bekommt sie den Namen Adolf-Hitler-Allee. Wie an vielen Stellen im Ort hinterlässt auch der Zweite Weltkrieg seine Narben in der Straße. Zerstört oder stark beschädigt werden die Häuser Nummer 116, 106 und 104. Nach dem Einzug der Roten Armee bekommt sie wieder ihren alten Namen zurück. In ihren Häusern quartieren sich russische Offiziere ein, während die Soldaten in der Gartenstadt untergebracht werden. Ende 1945 verlässt ein Großteil der Truppen diesen Teil von Neuenhagen, in dem sich das Leben nach und nach wieder normalisiert. Um 1953 bekommt die Straße den Namen, den sie heute noch trägt: Rudolf-Breitscheid-Allee. Aus dem einstigen Feldweg ist heute eine stark befahrene Kreisstraße geworden an deren Seiten Altes und Neues nebeneinander steht. An einigen Stellen, wenn es auch wenige sind, ist die Geschichte noch zu erkennen. Viele ihrer Läden hat sie verloren, neue sind dazugekommen aber noch immer verbindet sie wie damals den Stern mit Hoppegarten.

Autor: Kai Hildebrandt ist Neuenhagens Ortschronist und Autor mehrerer Publikationen über Neuenhagen und den Pferdesport in der Region/Foto: Ansichtskarte Eichen Allee im Jahre 1914 (Archiv Kai Hildebrandt)

Dieser Artikel ist Dr. Erich Siek und seinen unermüdlichen Forschungen zu den Neuenhagener Straßen gewidmet.